Über die Aufgaben und Zielpunkte der wissenschaftlichen Anatomie / von Wilhelm His.

  • His, Wilhelm, 1831-1904.
Date:
1872
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Credit: Über die Aufgaben und Zielpunkte der wissenschaftlichen Anatomie / von Wilhelm His. Source: Wellcome Collection.

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    entscheidendem Einfluss sein müssen. Selbstverständlich darf man nicht erwarten auf dem Wege grober Wägung und Messung Con- stitutionsstudien zu Ende zu führen. Die begonnene Arbeit selbst muss zeigen, inwieweit andere Hülfsmittel, wie z. B. mikrometrische Messungen von Gewebsbestandtheilen und von Organdurchschnitten, wirksam zu secundiren vermögen. Ich könnte noch ausführen, wie Maass und Gewicht berufen sind, auch in der Lehre von der Körperentwickelung eine entschei- dende Rolle zu spielen, indess mag das Gesagte genügend dargethan, haben, dass die Anatomie noch keineswegs sich rühmen darf, auch nur mit der Feststellung ihres materiellen Inhaltes im Reinen zu sein, oder sobald in’s Reine kommen zu können. — Wie steht es nun aber mit dem eigentlich geistigen Besitz des bereits ein- gespeicherten Materiales? Hat da unsere Wissenschaft Grund die Hände in den Schooss zu legen? Das Bedürfniss, die Gliederung unseres Körpers zu verstehen, ist so alt, vielleicht selbst älter als die Anatomie selbst. Der Eifer mit welchem das äusserlich abschreckende Studium von früh an ergriffen worden ist, die Achtung die ihm selbst von Laien ist entgegengebracht worden, die Art seiner Inangriffnahme, seine Sprache selbst zeigen uns, dass man in der Anatomie einen Hauptschlüssel gesucht hat zur Lösung des grossen Lebensrätbsels, das uns Menschen von je bewegt hat, und das uns wohl auch je und je bewegen wird. Kühn war allerdings das Ziel, das unsere älteren Vorfahren sich gestellt hatten. Die Erklärung nämlich anatomischer Verhältnisse wollten sie in völlig gleicher Linie durchgeführt wissen mit deren Aufzählung und Beschreibung. Schon Galen erhebt dies Streben zur bewussten Methode: Von der Voraussetzung des allweisen Schöpfers ausgehend, welcher Nichts ohne bestimmt vorgesehenen Zweck thut, verlangt Galen dessen Gedanken in allen ihren Theilen nachzudenken und Alles was thatsäclilich erkannt werden kann, auch sofort aus seinen Zwecken zu verstehn. Er will somit den Nutzen jedes Theiles, den Nutzen seiner Gliederung, seiner Lage, seiner Grösse, seiner Farbe, seiner Härte oder Weichheit, kurz aller seiner wahrnehm- baren Eigenschaften ausdrücklich, und in einer, dem harmonischen Ablauf der Lebensvorgänge entsprechenden Weise erklärt wissen.