Bericht über die Zusammenkunft einiger Anthropologen im September 1861 in Göttingen zum Zwecke gemeinsamer Besprechungen / erstattet von Karl Ernst von Baer und Rudolph Wagner.

  • Baer, Karl Ernst von, 1792-1876.
Date:
1861
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Bericht über die Zusammenkunft einiger Anthropologen im September 1861 in Göttingen zum Zwecke gemeinsamer Besprechungen / erstattet von Karl Ernst von Baer und Rudolph Wagner. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by The Royal College of Surgeons of England. The original may be consulted at The Royal College of Surgeons of England.

    13/92 (page 11)
    der Schädel breiter, so dass sie der mongolischen Form entschieden näher stehen, obgleich sie eine türkische Mundart sprechen; hei anderen, z. B. den Jakuten, haben die Schädel mehr die Eiform der westlichen Tataren, aber das Gesicht hat sehr ab- stehende Jochhogen. Vielleicht ist hei jenen Felsen-Kirgisen starke Beimischung von mongolischem Blute, die aber sehr alt sein muss, da sie ungemein ähnlich unter ein- ander sind. Aber der grosse Abstand der Jochbogen, gewöhnlich umsomehr mit Breite des Schädels verbunden, je entschiedener die Fleischnahrung ist, erinnert daran, dass die Fleischfresser auch diu'ch abstehende Jochbogen vor den Pflanzenfressern sich auszeich- nen und lässt die Frage auftauchen, ob sich hierin nicht der Einfluss der Nahrung auf die Variationen des Menschengeschlechts zeigt? In der That bin ich geneigt, diese Frage mit Ja zu beantworten, wenn ich eine grössere Schädelsammlung dimchsehe, wie ich soeben mit der von Göttingen gethan habe, denn bei allen Völkern, welche nur von animalischer Kost leben, flnde ich den Jochbogen weiter abstehend als bei denen, welche eine bedeutende Menge Pflanzenstotfe verzehren, wie die Hindus und die indo- gennanischen Völker Europa’s. Allein wie viel Antheil hat an diesem Unterscliiede der ursprüngliche Typus? Um darüber ein zuverlässiges Urtheil zu geA\1nneii, scheint mir, müsste man ein noch grösseres zuverlässiges Mateiial benutzen können, eine Sammlung, in welcher fast alle Völker des Erdbodens mit ihren verschiedenen Va- riationen repräsentirt sind, oder eine Sammlung gut ausgefülirter zuverlässiger Abbil- dungen der typischen Formen oder wenigstens übereinstimmende Messungen, die nach demselben Principe durchgeführt sind. Auch hier zeigt sich nämlich, dass nicht die absoluten Maasse ausreichen, sondern die aus einzelnen Messungen gezogenen Mittel und das Verhältniss dieser Mittehnaasse gegen einander herbeigezogen werden müssen. Mittelmaasse lassen sich aber bei ungleicher' Ai’t zu messen gar nicht ziehen. Ist der Schädel lang gebaut, wie bei den Eskimos, so stehen die Jochbogen in ihren Wölbungen weniger von einander, als bei den breiteren. Aber im Verhältnisse zu den Querdimensionen des Schädels ist dennoch der Abstand gross, wodurch eben bei den Eskimos die Ansicht von vorne -die Form erhält, welche Prichard die pyrami- dale nennt.‘‘ ,,Um ein Urtheil zu begründen, ob die Verschiedenheiten im Baue der mensch- lichen Körper als lU’sprünglich oder als geworden zu betrachten sind, genügte aber eine Kenntniss der Verschiedenheiten im Kopfe nicht. Es ist eine vollständigere Kenntniss der Variationen in allen übrigen Theilen sehr zu wünschen, als bisher be- kannt geworden ist. Man wird zugeben, dass solche Nachrichten bisher, mit Aus- nahme eriva des Neger-Stammes, sehr dürftig waren und man wii’d mit Ungeduld die anthropologischen Studien der Gebrüder Schlagintweit und der Novara-Expedition erwarten.“ „Aber es sind ja nicht allein die weitgreifenden, vielleicht nie zu lösenden Fragen über die Zahl der Hauptstämme und wie deren Entstehen zu denken ist.