Volume 1

J. von Mering's Lehrbuch der inneren Medizin / bearbeitet von G. v. Bergmann [and others] ; herausgegeben von L. Krehl.

  • Mering, J. von (Josef), 1849-1908.
Date:
1925
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Credit: J. von Mering's Lehrbuch der inneren Medizin / bearbeitet von G. v. Bergmann [and others] ; herausgegeben von L. Krehl. Source: Wellcome Collection.

    109/736 (page 93)
    führung der BEHRiNGschen Serumtherapie einen Umschwung, wie er bei einer Infektionskrankheit unter dem Einfluß einer Heilmethode, außer bei der Malaria, noch nicht beobachtet war. So sank — um die jetzt zahllosen, im gleichen Sinne sprechenden Beobachtungen an einem Beispiele zu erläutern — z. B. in den Leipziger Kliniken die Sterb¬ lichkeit auf durchschnittlich 10,7 o/o. In der Leipziger medizinischen Klinik allein betrug die Sterblichkeit vor ‘Einführung des Serums 30,7 o/o, in einer Epidemie von 1914—1916, die für jetzige Verhält¬ nisse einen besonders schweren Eindruck machte, 11,4 o/0 (Dorner). Auch maligne Diphtherien kommen in größerer Zahl zur Genesung. Die Möglichkeit der Infektion mit schwerer Diphtherie ist überhaupt viel geringer geworden, weil unter dem Einflüsse des Heilserums die Erkrankungen leichter verlaufen. Am deutlichsten zeigt sich aber die völlige Änderung des Verlaufes darin, daß von den in Leipzig tracheo- tomierten Krupfällen in den Jahren nach Einführung des Serums nur noch 35,5 o/o, in der erwähnten Epidemie von 1914—1916 43,5 o/0 starben, und daß die Tracheotomie überhaupt viel seltener, in der letzten Epidemie nur bei 13,2 o/0 der 1598 Aufnahmen notwendig wurde. Auch lei den jüngsten Kindern sind die Aussichten besser geworden. Wir erblicken in der Serumtherapie der Diphtherie eine der größten Wohl¬ taten, die dem Menschengeschlechte zuteil geworden sind. Sicher wäre eine noch durchgreifendere Wirkung des Serums sehr zu begrüßen. Aber der Vergleich mit der Zeit vor seiner Anwendung sollte die heute öfters aufgestellte Behauptung unmöglich machen, sein Gebrauch bringe überhaupt keinen Nutzen. Die Prognose der Krankheit wird um so besser, je früher das Serum zur Anwendung gelangt, je vollständiger das im Blute zirku¬ lierende Gift dadurch unschädlich gemacht wird und je weniger Di¬ phtheriegift bereits in den Organen fest gebunden und damit dem Ein¬ flüsse des Antitoxins entzogen ist. So sah Baginsky bei der Anwen¬ dung des Serums am 1. Krankheitstage 1,07—2,7, bei der am 2. 2,7 bis 14,1, bei der am 6. 19,2 bis 30,7 o/o der Kranken zugrunde gehen. Je weniger Diphtheriegift infolge frühzeitiger Serumanwendung im Herzen, in den Nieren oder Nerven gebunden werden kann, um ;so seltener und leichter werden auch die durch die Schädigung dieser Organe entstehenden Nachkrankheiten sein. Daß sie nach der An¬ wendung des Serums noch Vorkommen, kann angesichts der Art seiner Wirkung nicht wunderbar sein. Dies vorausgeschickt, hängt der Verlauf auch jetzt natürlich von der leichteren oder der malignen Form der Diphtherie, von der Be¬ teiligung des Kehlkopfes, von dem Verhalten des Kreislaufes und der Lungen, von dem Lebensalter der Kranken ab. Die postdiphtherische Myocarditis ist auch jetzt noch eine sehr ernste Komplikation. Voll¬ ständige Schlucklähmungen und Lähmungen des N. phrenicus sind sehr vorsichtig zu beurteilen. Bei tödlich ausgehenden Erkrankungen fehlen während der ganzen Dauer der Krankheit die eosinophilen Zellen im Blut oder sind deutlich vermindert, während sie sonst nur im Beginn nahezu vermißt werden (Willrich). Therapie. Die wichtigste Maßnahme der Behandlung ist die mög¬ lichst frühzeitige Anwendung des Heilserums in ausreichen¬ der Dosis. Ist die Diagnose zweifelhaft und besteht keine Möglich¬ keit, sie im Laufe weniger Stunden bakteriologisch zu sichern, so ist ebenfalls Serum anzuwenden. Das Heilserum wird von Pferden gewonnen, die durch Impfung mit steigenden Dosen Diphtheriegift aktiv immunisiert sind. In Deutschland wird es