Mikroskopische Morphologie des Thierköpers im gesunden und kranken Zustände / von Dr. C. Heitzmann.

  • Heitzmann, Carl, 1836-1896.
Date:
1883
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Mikroskopische Morphologie des Thierköpers im gesunden und kranken Zustände / von Dr. C. Heitzmann. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by The University of Glasgow Library. The original may be consulted at The University of Glasgow Library.

    37/904 (page 15)
    taneität“ der lebenden Materie bezeichnen. M. Fester zieht dem Aus- druck „spontane“, jenen der „automatischen“ Bewegung vor, insoferne der letztere Begriff nicht nothwendiger Weise jenen der Gesetzlosigkeit einschliesst, aber auch keine Beziehung zum „Willen“ hat. Die Bewegung äussert sich in zwei Arten: eine, welche zu Veränderungen der Gestalt führt, die amöboide Bewegung; die andere, welche Veränderungen des Ortes hervorruft, die Locomotion. Beide Arten sind in dem eigen- thümlicheu Baue der lebenden Materie, in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung begründet, und werden uns später noch beschäftigen. Hier soll nur noch erwähnt werden, dass die Locomotion in früheren Zeiten als eine nur den Thieren zukommende Eigenschaft angesehen wurde. Heute wissen wir aber, dass viele niedere Formen des Pflanzenlebens gleichfalls mit der Eigenschaft der Locomotion ausgestattet sind, die augenscheinlich von einem gewissen Grade eines „individuellen Willens“ abhängen. Die Eigenschaft ihres Gleichen zu erzeugen, kommt ausschliesslich der lebenden Materie zu und erscheint gleichfalls in zwei Arten, näm- lich als Wiedererzeugung zum Wohle des Individuums, mit dem Ergeh- niss einer Zunahme des Umfanges, das Wachsthum; und Wiederer- zeugung neuer Individuen, die Generation. Wir wissen, dass jeder lebende Körper ursprünglich sehr klein ist; das Eichen selbst des gröss- ten Thieres ist gerade nur dem unbewaffneten Auge erkenntlich. Aber der Körper nimmt durch Nahrungsaufnahme von aussen zu, er wächst. Nachdem ein gewisser Umfang erreicht ist, hört das Wachsthum auf, und wird nur aufgebrauchtes Materiale wieder erzeugt, bis zuletzt auch die Wiedererzeugung aufhört, und der Körper das wird, was wir todt nennen. Heute sind die Forscher zur Ueberzeugung gelangt, dass das Baumaterial der Pflanzen von jenen der Tbiere nicht wesentlich ver- schieden sein kann. Mit zunehmender Kenntniss der Naturwissenschaften sind die Grenzen zwischen dem Thier- und Pflanzenreich mehr und mehr verwischt worden, und es ist in vielen Fällen unmöglich mit Bestimmtheit anzugeben, bei welchem Punkte der Entwicklung ein Or- ganismus eine Pflanze oder ein Thier sei. Man hat behauptet, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen Pflanze und Thier darin besteht, dass die erstere auf Kosten einfachen oder unorganischen Materiales wächst, während das letztere stets organi- sirte Nahrung aufnimmt. Aber auch diese Anschauung wird haltlos, wenn wir bedenken, dass wir unmöglich wissen können, wie sich die niedersten Thierformen überhaupt ernähren. Hingegen wissen wir durch die Untersuchungen von Charles Darwin, dass es fleischfressende Pflan- zen gibt.