Diphtherie und Croup / geschichtlich und klinisch dargestellt von Franz Seitz.

  • Seitz, Franz, 1811-1892.
Date:
1877
    Diphtherie und Croup geschichtlich und klinisch dargestellt von Dr. Franz Seitz, ord. Professor der Medicin an der Universität Münclien. BERLIN. Verlag von Theobai d Grieben. 1877.
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    Vorwort. Dem Erscheinen dieser Schrift mag die Thatsache zur Kechtfertigung dienen, dass die Krankheit, deren Geschichte, Beschreibung und Behandlung darzustellen ihre Aufgabe ist, in unseren Tagen eine über den ganzen Erdkreis verbreitete Landplage geworden ist. Fordert die Diphtherie ja gegenwärtig an vielen Orten und so auch in dem "Wohnorte des Verfassers eine grössere Zahl von Opfern als der T}^hus und andere Volkskrankheiten. Der Erforschung der Volkskrankheiten von dem Beginn unserer ärztlichen Laufbahn vor nun mehr als vierzig Jahren an zugethan (wie unsere über Typhus, Friesel, Influenza, Kuhr, Cholera u. a. veröffentlichen Arbeiten bezeugen), haben wir uns seit dem Auftreten der Diphtherie in München unausgesetzt mit der Beobachtung dieser uns neuen epidemischen Erscheinung und der Durchsicht ihrer umfänglichen Literatur beschäftigt. Die Frucht dieser Beschäftigung ist vorliegendes Buch. Seine Abfassung ward ermöglicht durch die günstige Gelegenheit zur Beobachtung der herrschenden Krankheiten, welche uns die Stellung als Professor der Universitäts-Poliklinik und praktischer Arzt in einer volkreichen Hauptstadt bietet. Wir haben nicht
    nur in München mehrere hundert Diphtheriekranke beobachtet und behandelt, sondern auch eine beträchtliche Zahl derselben auf Reisen an anderen Orten, so im Sommer 1(S67 zu Paris und im Herbst 1875 in Wien, gesehen. So gross aber auch der Be- obachtungskreis des einzelnen Arztes sein mag, so ist er doch immer zu beschränkt, um die mannigfaltigen Erscheinungen, wie sie Volkskrankheiten im Laufe der Zeit und an verschie- denen Orten zukommen, alle kennen zu lernen und erschöpfend beschreiben zu können. Für die allseitige Kenntniss der Volkskrankheiten ist daher ihre Geschichte unentbehrlich. Da die der Diphtherie zur Zeit noch fehlt, haben wir den Versuch einer Skizze derselben zu- gleich mit der Uebersicht ihrer geographischen Verbreitung unseren eigenen Beobachtungen vorausgeschickt. Das unheim- liche Dunkel, das auf der verderblichen Erscheinung der Volks- krankheiten ruht, wird etwas gelichtet, wenn wir ihr Vorkommen im Laufe von Jahrhunderten und in seiner Ausbreitung über den Erdkreis überblicken. Die Fragen über die Entstehung und Verbreitung der Diphtherie, über ihr Verhältniss zu anderen Krankheiten und ihre Verbindung mit denselben können nur an der Hand der Geschichte ihrer Lösung näher gebracht werden, lieber mehrere dieser Fragen, besonders über das Verhältniss der Diphtherie zu Croup und Scharlach besteht noch eine Meinungs- verschiedenheit unter den Aerzten. Durch die Beobachtung des Croup zur Zeit, da die Diptherie hier noch unbekannt war, sind wir zur Ueberzeugung gelangt, dass es einen entzündlichen von dem die Diphtherie begleitenden verschiedenen Croup giebt. Zur Begründung dieser unserer von den Anschauungen mancher jüngerer Beobachter abweichenden Meinung haben wir in Kürze das Er- gebniss unserer Beobachtungen desselben in einem eignen Ab- schnitt den vorhergehenden über Diphtherie folgen lassen. lieber
    das Verliältniss der Diphtherie zum Scharlach haben wir unsere Ansicht bei der Mittheilung unserer Beobachtungen der Compli- cation beider Krankheiten dargelegt. Die Mundfäule, in Spanien Fegar genannt (Stomatitis ulcerosa), halten wir für eine von der Diphtherie verschiedene Krankheit. Wir werden uns mit ihr nur insoweit befassen, als sie mit jener, z. ß. bei der Epidemie zu Tours 1817, zusammen aufgetreten ist. Eine grosse Zahl von Aerzten hat sich der Erforschung der Diphtherie zugewendet, wie die reiche besonders seit der Ausbreitung der Krankheit im laufenden Jahrhundert erschienene Literatur derselben zeigt. Bei aller ihi'er Erforschung gewid- meten Aufmerksamkeit ist ihre Erkenntniss noch eine mangel- hafte und kann sich die Behandlung derselben noch keiner sichern Erfolge rühmen. Fortgesetzte Beobachtungen und Versuche werden hoffentlich die Lücken in der Pathologie und Therapie noch ausfüllen. Im IL Theile unserer Schrift wollten wir das Ergebniss unserer Beobachtungen und therapeutischen Erfahrim- gen der Summe des im I. Theile gesammelten geschichtlichen Materials anreihen. Wir haben uns in einzelnen Abschnitten so im I. (Aetiologie) und IIL (pathologische Anatomie) auch bei Beschreibung des Verlaufs der Formen der Krankheit im II. Ab- schnitt kürzer gefasst, weil Ursachen, pathologisch-anatomische Veränderungen und Erscheinungen am Krankenbette schon im L Theile bei Darstellung wichtiger Epidemien und bedeutender literarischer Leistungen wie der Schriften von Bretonneau, Greenhow,Wade u. A. mehrfache Besprechung gefunden haben. In die Schilderung der Krankheitserscheinungen im IL Ab- schnitt haben wir eine Anzahl von Krankengeschichten einge- ilochten, die meist von Praktikanten der Poliklinik verfasst wor- den sind. Während unserer langen Laufbahn als Lehrer haben wir die Erfahrung gemacht, dass concrete Fälle besser zur Kennt-