Versuch einer Psychologie der Volksmedizin und des Aberglaubens : eine ethnologische Studie / von Rudolf Trebitsch.

  • Trebitsch, Rudolf.
Date:
1913
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Credit: Versuch einer Psychologie der Volksmedizin und des Aberglaubens : eine ethnologische Studie / von Rudolf Trebitsch. Source: Wellcome Collection.

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    Wir wissen ja, daß verschiedene Völker die Menschcnseele nach dem Tod in Vögel, Schmetterlinge und mancherlei Insekten verlegen. Hier mag also eine analoge Vorstellung zugrunde liegen. B. Offensives Verfahren. a) Beschädigung der Menschen an Leben und Gesundheit. b) Beschädigung ihres Eigentums an Leben und Gesundheit. Die Beschädigung von Menschen oder ihres Eigentums auf zauberische Art nennt man in der Schweiz (St.) „Leidwerche“ — Leid wirken. St. führt für diesen Vorgang mehrere Beispiele an, so u. a.: Ein Kind erkrankte plötzlich unter krampfhaften Erscheinungen bei Nacht. Dies wird, mit dem Besuch eines Menschen in Zusammenhang gebracht, der das Kind verhext haben soll. Die verhexende Person ist meist ein Individuum, das sich zufällig auffällig be- nommen hat und dessen Besuch zeitlich mit der Erkrankung des Kindes zusammen- hängt. Es kommen hier häufig Krankheiten in Betracht,' deren Ursache das Volk Dämonen zuschreibt, also plötzlich eintretende, besonders nervöse Leiden. Abgewehrt werden derartige Erscheinungen durch Palmblätter, Zauber- formeln u. dgl. Das Verhexen spielte in Europa in diesem Sinne während des ganzen Mittelalters eine große Rolle. Die analogen Vorkommnisse finden wir auch bei Naturvölkern. Sie sind dort ebenfalls unter dem Namen des „Ver- hexen s“ bekannt. Hier wie dort geben den Grundton religiöse Beziehungen, Dämonenglauben u. dgl. ab. Der Hexenmeister ist hier gewöhnlich ein Mensch, der durch seine Individualität oder sein Auftreten eine solche suggestive Macht auf die anderen ausiibt, daß man ihm eine übernatürliche Gewalt zutraut. Bei den Primitiven sind es zumeist Leute, die von berufswegen mit den übersinnlichen Mächten auf gutem Fuße stehen, so Zauberer, Priester, Medizinmänner, Regenmacher u. dgl. m. Doch können in der Schweiz (St.) auch Dinge „leidwerche“ — Leid wirken, d. h. verhexen. Nach der Erzählung eines Senners in der Schweiz geschieht einem Rind jedesmal, wenn es auf eine weiße Haselnußwurzel tritt oder wenn es eine solche frißt, etwas Böses. Die weiße Haselnußstaude soll übrigens, der Volks- meinung nach, früher Früchte tragen als andere Pflanzen der gleichen Gattung. Mit einer Haselstaude „bannt“ man böse Leute, weiße Haselstaude schützt vor Unglück, mit einer Rute davon werden Schlangen getötet (St.). Nach Lippert1) war die Haselnuß lange Zeit die schmackhafteste Frucht in Deutschland. Nach Kf. hat man viele Haselstauden in alemannischen Gräbern gefunden. Die Haselnuß war die germanische Toten speise, also wieder religiöse Beziehungen, auf dem Seelen- oder Dämonenglauben beruhend. Es ist, wie mir Prof. M. H a b e r- landt mündlich mitteilte, allgemein üblich, daß beliebte Speisen als Seelen- speisen der Verstorbenen verwendet werden. So hier die Haselnuß, daher resultiert ihre Zaubermacht und auch die des Haselstrauches. In Deutschland und schon im alten Rom war die Haselstaude Wünschelrute. Es ist be- greiflich, daß die weiße Farbe in den ..Augen des Volkes wegen ihrer Auffälligkeit und Seltenheit die magische Wirkung der Haselstaude erhöhen muß. In der Schweiz (St.) wird das Vernageln von Menschen geübt in der Absicht, daß der Mensch, der vernagelt worden ist, sterben möge. Es liegt hier