Vorträge über Pathologie : gehalten an den Universitäten und Akademien Japans im Jahre 1924 / von L. Aschoff ; als Sonderheft ihrer Verhandlungen herausgegeben von der Japanischen Pathologischen Gesellschaft.

  • Aschoff, L. (Ludwig), 1866-1942
Date:
1925
Catalogue details

Licence: In copyright

Credit: Vorträge über Pathologie : gehalten an den Universitäten und Akademien Japans im Jahre 1924 / von L. Aschoff ; als Sonderheft ihrer Verhandlungen herausgegeben von der Japanischen Pathologischen Gesellschaft. Source: Wellcome Collection.

    25/386 (page 17)
    Grenze zwischen gesundem und krankem Leben ziehen? Wann dürfen wir von Krankheit sprechen? Derjenige, welcher zuerst auf diese Frage eine klare Antwort gab, war Virchow, indem er den Begriff der Gefährdung des Organismus mit dem Krankheitsbegriff verband. Wir verstehen daher heute unter einem Krankheitsprozeß jede Störung im Ablauf der Lebensvorgänge, durch welche der Organis¬ mus in seiner biologischen Existenz gefährdet wird, d. h. nicht mehr den gegebenen Lebensbedingungen angepaßt erscheint. Erkrankung ist jede, eine Existenzgefährdung in sich schließende Störung eines Gesundheitszustandes. Es ist selbstverständlich, daß auch für den gesunden Organismus die Fähigkeit zur Anpassung an den Wechsel der äußeren Lebensbedingungen erschöpft werden kann, wenn der¬ selbe extreme Grade erreicht. So ist auch der gesunde Mensch gegen¬ über allzu starker Erhöhung oder Erniedrigung der Temperatur macht¬ los; ebenso gegen zu starke Einschränkung der flüssigen oder festen Nahrung, Verminderung des Sauerstoffgehaltes der Luft usf. Unter solchen ungewöhnlichen Umständen wird auch der gesunde Organis¬ mus in seiner biologischen Existenz gefährdet werden, d. h. er¬ kranken. Wir bezeichnen bekanntlich solche, in dem Wechsel der äußeren Lebensbedingungen gelegenen Krankheitsursachen als Causae externae oder äußere Krankheitsursachen. Die ärztliche Er¬ fahrung aber zeigt, daß die einzelnen Menschen ganz verschieden leicht durch den Wechsel der äußeren Lebensbedingungen gefährdet werden, ja, daß einzelne schon dann erkranken, wenn es sich um ganz geringe Schwankungen handelt, die von der überwiegenden Mehrzahl aller lebenden Organismen ohne'jede Störung ertragen werden. Hier muß also eine verminderte Anpassungsfähigkeit an den natürlichen Wechsel der äußeren Lebensbedingungen angenommen werden. Wir bezeichnen einen solchen Organismus mit verminderter Anpassungs¬ fähigkeit als einen kränklichen Organismus. Diese Verminde¬ rung der Anpassungsfähigkeit ist nicht selten auf einen voraus¬ gegangenen Krankheitsprozeß zurückzuführen. Es ist eine alte Er¬ fahrung, daß jede, auch noch so unscheinbare Erkrankung, d. h. eine durch äußere Ursachen hervorgerufene, mit Gefährdung der bio¬ logischen Existenz einhergehende Störung der Lebensfunktionen so gut wie niemals zu einer vollständigen Bestitution des Organismus führt. Vielmehr läßt jede Erkrankung mehr oder weniger deutliche Spuren im Organismus zurück. Ein ganz bekanntes Beispiel dieser Art sind die rheumatischen Erkrankungen der Herzklappen. Die Erfahrung lehrt, daß bei einem relativ großen Prozentsatz größere oder geringere Verdickungen der Klappen und Sehnenfäden, Verwachsungen oder Verkürzungen derselben Zurückbleiben, welche die Leistungsfähigkeit des Herzens deutlich beeinflussen. Erreicht die dauernde Veränderung keine besonders hohen Grade, so kann das Individuum trotz der ver- Aschoff, Vorträge über Pathologie. 2