Gerichtliche Psychiatrie : ein Leitfaden fur Mediziner und Juristen / von A. Cramer.

Date:
1900
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Credit: Gerichtliche Psychiatrie : ein Leitfaden fur Mediziner und Juristen / von A. Cramer. Source: Wellcome Collection.

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    Sätze der psychiatrisclieii Wissenschaft, den Nacliweis zu führen, ob der Ancjekhigte resp. Angeschlüdis'te die ihm zur Last gelegte strafbare Handlung auf Grund einer krankhaften Basis entstammender Motive unternoninien hat oder nicht. Mit dem Fortschreiten der Erfahrung des Kinzelnen und der Entwickehmg der psychiatrischen AVissenschaft und der genaueren klinischen Kenntnis einzelner Krankheitsbilder wird die Zahl der Fälle immer kleiner werden, bei denen Schwierigkeiten entstehen. (Gkashev.) Vorhanden sind sie jedoch immer noch. Doch sind wir heute schon in der Lage, den meisten dieser Fälle, welche dem Grenzgebiete zwischen geistiger Gesundheit und Krankheit augehören, wenigstens eiuigermassen gerecht zu werden. In den meisten Fällen kann dies unter Annahme mildernder Um- Mildernde Um- stände geschehen. Auch unter den 177 Vergehen und Verbrechen, bei ^*f>^|j.J'gf zlf; welchen mildernde Umstände nicht zulässig sind, hat es der Kichter i-echmmi^s- iu der Hand, da ein Strafminimum überhaupt nicht gegeben ist, mit . 1 Tag Freiheitsstrafe oder 3 Mark zu bestrafen. Bei weiteren 29 De- likten, welche auch hierher zu rechnen sind, schwankt das Straf- minimum von 1 Woche bis zu 3 Monaten Gefängnis resp. Festungshaft. Auch für die Meineidsparagraphen lässt sich in den Fahrlässigkeits- paragraphen ein Ersatz für die mildernden Umstände suchen. Nur bei einer kleinen Anzahl von Verbrechen, bei welchen der Tod oder schwere Körperverletzung herbeigeführt wurde, ist es nicht möglich, auf eine der erwähnten Weisen eine Milderung im Strafmass herbei- zuführen (Mendel). Leider sind das gerade Verbrechen, welche von den au der Grenze psychischer Gesundheit und Krankheit stehenden Individuen gelegentlich auch begangen werden. Kommt in der Praxis ein Fall vor, bei dem der Sachverständige verfaiu-en bei sagen rauss, der Mensch ist zwar nicht geisteskrank, auch ist ein Zu- \^cltenf wwin stand von Bewusstlosigkeit ausgeschlossen, aber trotzdem finden sich psychisch allerlei psychopathische und nervöse Erscheinungen, welche ihn als Geisteszu- weniger widerstandsfähig, leichter bestimmbar und dergleichen er-, ^^'uelen.'*' scheinen lassen, so ist es die Pflicht des Sachverständigen, diese Mo- mente, wenn auch nicht im Tenor des Gutachtens, so doch bei Ent- wicklung der Untersuchungsresultate deutlich hervorzuheben. Der Richter oder die Geschworenen sind für derartige Bemerkungen immer dankbar und ziehen sie in den Kreis ihrer Erwägungen, ganz abgesehen davon, dass die Verteidigung davon meist einen ausgiebigen, leider oft auch einen übertriebenen Gebrauch macht. In einzelnen Fällen mag es sogar erlaubt sein zu sagen, wenn in dem Strafgesetz- buch eine geminderte Zurechnungsfähigkeit sich vorfände, so sei dies ein Individuum, dessen Geisteszustand unter diese Kategorie gehöre. Nicht erlaubt dagegen ist, im Tenor eines Gutachtens von einer ge- minderten Zurechnungsfähigkeit in bestimmter Form zu sprechen. Theoretisch ist also an dem Begriff einer geminderten Zurech- nungsfähigkeit nicht zu zweifeln, in der Praxis dürfen wir vor- läufig keinen Gebrauch davon machen, weil eine solche im Strafgesetz- buch nicht vor-gesehen ist. Die Hauptaufgabe des Sachverständigen besteht also, soweit § 51 in Betracht kommt, darin, den Nachweis zu führen, dass ein Zu- stand von Bewusstlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistesthätigkeit zur Zeit der Begehung der straf- baren Handlung vorhanden war.