Gerichtliche Psychiatrie : ein Leitfaden fur Mediziner und Juristen / von A. Cramer.

Date:
1900
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Credit: Gerichtliche Psychiatrie : ein Leitfaden fur Mediziner und Juristen / von A. Cramer. Source: Wellcome Collection.

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    lmi)erative Sinnes- täuschungen. Akute Wochen- bett-Psychose, akutes halluci- natorisches Ii-resein (Fürstner), Mord infolge imperativer Stimmen. Illusionen. Immer braucht dies indessen nicht der Fall zu sein, es kommt darauf an, inwieweit das einzelne Individuum von der ReeUität der liallucinatorischen Empflndung-en überzeugt ist. Kranke, welche Jahre lang daran leiden, finden sich meist, namentlich bei sinkender Intelli- ganz, mit den Erscheinungen ab, klagen stets darüber, gehen aber ihrer Arbeit nach, werden nur selten erregt. Ich kannte einen aktiven Telegraphenbeamten, der anhaltend Stimmen hörte, und trotzdem riclitig sein Amt versah. Häufig knüpfen sich an die Sinnestäuschungen Vorstellungen und Yorstellungsreihen an; der Kranke bildet sich über die hallucinato- rische Empfindung ein Urteil ebenso wie über eine reelle Empfin- dung. Dieses Urteil ist natürlich falsch, weil die Prämisse falsch ist (v. Kraft-Ebing). Häufig sind die Sinnestäuschungen so imperativ, dass der Kranke auch dementsprechend handelt. Darin liegt eine wichtige forensische Bedeutung der Sinnes- täuschungen ; nicht nur, dass der Nachweis einer Hallucination an sich ein wichtiges Krankheitszeichen ist, spielen Sinnestäuschungen von imperativem Charakter, die sich gleich in die That umsetzen, oft bei Verbrechen von Geisteskranken eine wichtige Rolle. Beispiel: Eine erblich nicht belastete — bis dahin immer gesunde 32'jäbrige Arbeiter-Frau, welche bereits 4 Wochenbetten ohne jede Störung überstunden hat, gerät am 6. Tage nach der 5. mit schweren Blutverlusten verknüpften Entbindung in einen Zustand, in dem ihr die ganze Umgebimg rätselhaft wie verändert vorkommt, es treten immer deutlicher werdende Stimmen auf: „Du musst den Kindern den Hals abscheiden,'' „schneide den Kindern den Hals ab wie den Hühnern, die Stimmen werden mächtiger, sie beherrschen sie schliesslich vollständig, so dass sie nicht mehr wider- stehen kaim, und mit dem grossen Küchenmesser den 3 Kindern, welchen sie bisher eine liebende Mutter gewesen war, die Hälse dvirchschneidet. Darauf legt sie die Leichen nebeneinander in die Stube, wäscht das Messer sorgfältig ab, legt es an seinen Platz und geht zu Bett. Der am Abend zurückkehrende Mann findet sie im Bett, sie empfängt ihn mit ganz ver- wirrten E,eden, und tobt, lacht, schnalzt und singt die Nacht durch. Sie wird verhaftet, kommt aber dann, da ihre Greisteskrankheit auch füi- den Laien sofort erkenntlich ist, in die Irrenanstalt. Nach Ablauf von 6 Monaten volle Genesung. Während des ganzen Verlaufs der Psychose dominieren allerlei Sinnestäuschangen, namentlich Gehörstäuschungen im Krankheitsbilde. Sie hat nur eine partielle Erinnerung an ihre Krankheit, weiss aber noch ganz genau, wie die Krankheit angefangen, und wie sie die Kinder umgebracht hat. Sind auch bei dieser Ki-anken noch andere Momente zu Beginn der Krankheit vorhanden gewesen, welche ihr „alles verändert rätselhaft er- scheinen Hessen, so sind es doch sicher die Gehörstäuschungen gewesen, welche in erster Linie den Mord veranlasst haben. Mit den Sinnestäuschungen verwandt, aber deutlich von ihnen dadurch geschieden, dass ein reeller Reiz aus der AusseuAvelt zu Grunde liegt, sind die Illusionen. Der Kranke, bei dem oft das Bewusst- sein mehr oder minder eingeengt und das Urteil getrübt ist, verkennt die Gegenstände in der Aussenwelt; die Sträucher und Bäume werden zu Gestalten, die Flecken au der Wand grinsende Gesichter, irgend- welche Geräusche zu erzählenden drohenden Stimmen und dergleichen.