Zur Lehre vom Zwillingsirrsein / von Nicolaus Ostermayer.

  • Ostermayer, Nicolaus.
Date:
[1891]
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Credit: Zur Lehre vom Zwillingsirrsein / von Nicolaus Ostermayer. Source: Wellcome Collection.

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    Der BaiTsehen Ansicht entgegengesetzt ist die Auffassung Eu- phrat’s. Dieser sucht auf Grund der sechs, ausnahmslos aus fremdländi- scher Literatur (C h a t e 1 a i n, S a v ag e, C1 i f f o r d Gill, Ball, M o i e a u, Baume) gesammelten Fälle und des von ihm selbst beschliebenen halles darzuthun, dass bei der Entstehung einer gleichartigen Geistesstörung bei Zwillingen, der „Folie gemellaire“, die psychische Infection, die Nachahmung von grösster Bedeutung ist. „Der psychische Eindruck, den das Anhören der Krankheitsäusserungen, das Miterleben der Hef- tigkeitsausbrüche des erst erkrankten Zwillings, der ja dem Herzen des zweiten so ungemein nahe steht, auf den letzteren macht, muss ein mächtiger, ein überwältigender sein“, wie dies für zwei der sechs Fälle ausdrücklich bemerkt und seiner Meinung nach für alle anderen ohne Weiteres angenommen werden kann. Nach Euphrat ist überhaupt der Entstehungsmodus beim Zwil- lungsirrsein und der „Folie ä deux“ ein völlig analoger. — Unter den von ihm aufgezählten sieben Fällen ist nur in einem Heredität, in einem zweiten Eamiliendisposition nachweisbar. Jene Art von „Folie gemellaire“, welche man bei räumlicher Trennung, Mangel jedweden gegenseitigen Verkehres und psychischer Beeinflussung der Zwillingsgeschwister hat auftreten gesehen, und die von Ball, Schütz und Kröner als Zwillingsirrsein par excellence hingestellt wurde, findet seinerseits kaum eine Berücksichtigung und wird, wie es scheint, nicht unter dem Titel Zwillingsirrsein subsumirt. In seinem Aufsatz macht er zwar Erwähnung von Jung’s fünf Fäl- len, wo Geschwister in längeren Zeiträumen auch räumlich getrennt, au gleicher oder ähnlicher Form von Geistesstörung erkrankten und und schliesst hieran auch den von Fflintoff Mi ekle mitgetlieilten Fall, in welchem Zwillingsschwestern, die eine in England, die an- dere in Amerika in einem ganz kurzen Zeitintervall von gleicher Psy- chose befallen wurden, ohne mit eiuander jin Berührung gekommen zu sein; ist aber trotz dem letzteren Beispiel nicht geneigt, dieselben als hinreichende Belege für das Zwillingsirrsein ohne psychische Be- einflussung entstanden, anzunehmen, da er sicli im Anschlüsse an Jung’s und Mickle’s Fälle folgendermassen äussert: „Der von Jung erhobene Einwand (dass nämlich dem Einfluss der psychischen Ansteckung keine so erhebliche Bedeutung beizulegen sei) wird jedooh hinfällig und entschieden muss man an Entstehung von dem Eindrücke der Vorstellung denken, wenn zwischen dem Irrsein der ersten und zweiten Person nur wenige Tage lagen, oder wenn eben nicht die geringste erbliche Anlage in der Familie nachzuweisen ist“. Freilich waren ihm die zwei Schütz'sehen Fälle unbekannt, welche sich