Lehrbuch der ärztlichen Seelekunde / Als Skizze zu Vortragen bearbeitet von Dr. Ernst Freiherrn von Feuchtersleben.

  • Feuchtersleben, Ernst, Freiherr von, 1806-1849.
Date:
1845
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Credit: Lehrbuch der ärztlichen Seelekunde / Als Skizze zu Vortragen bearbeitet von Dr. Ernst Freiherrn von Feuchtersleben. Source: Wellcome Collection.

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    gössen, dafs der Mensch, selbst seinem Organismus nach, ohne Rücksichtsnahme auf seine höhere Bestimmung gar nicht verstan- den werden kann, und dafs die Teleologie des thierischen Orga- nismus sich auf sich selbst, die des menschlichen dagegen auf Et- was über ihn selbst bezieht. Den Thieren kommt, streng genom- men , nicht einmal das ihnen gewöhnlich beigelegte Ancdogon ra- tionis zu, Avelches doch nur ein anderer Ausdruck für das Den- ken oder die Vernunft in ihrer geringeren Ausbildung ist. Wenn man jene Handlungen der Thiere, welche zu diesem Ausdrucke Anlafs gegeben haben, genauer untersucht, so wird man finden, dafs bei ihnen der Leib immer auf die Seele mittelst der Triebe wirkt, und dafs diese Triebe durch den Instinkt geleitet werden; ein ihnen gleichsam eingeborenes Naturgesetz, das in jenen Hand- lungen wirksam wird, wie andere Naturgesetze in ihren betreffen- den Phänomenen *). Wir müssen also, da, wie wir sehen werden, die höhere Spontaneität von der Seele auf den Leib beim Menschen auch bis in die körperlichsten Verrichtungen herab noch mitwirkt und reagirt, mit dieser vergleichenden Psychologie sehr vorsichtig seyn, und dürfen sie nur da mit zu Rathe ziehen, wo auch im Menschen, sei es im physiologischen, sei es im pathologischen Zustande, etwas instinktartiges zum Vorscheine kommt. Zu den Hilfsmitteln pflegt man nicht mit Unrecht auch die Dichtkunst zu zählen, in so fern sie den menschlichen Charakter zwar dem Grade nach übertrieben , aber der Art nach naturwahr darstellt. Nur mufs man sich hüthen, dieses Hilfsmittel nicht allzu fleifsig zu benützen, damit man nicht selbst in Gefahr gerathe, zu dichten statt zu forschen, oder Citate aus Dichtern für Axiome zu halten, wovon uns auch die Geschichte, selbst der neuesten Aera! Beispiele hefern wird. Ein raihsameres Hilfsmittel ist die Logik, welche den gegebenen Stoff gehörig disponiren lehrt, seine Kritik besorgt und vor Abwegen bewahrt. Dafs überdem alle Hilfsdoc- trinen der Philosophie und Physiologie, als der Grundlagen, z. B. Blathematik, Physik, Anatomie und Anthropochemie, auch zu den Behelfen der abgeleiteten Lehren gehören, versteht sich von selbst. 0 Vergl. Griirell, Mensch. S, 227.