Die Storungen der Sprache : Versuch einer Pathologie der Sprache.

  • Kussmaul, Adolf.
Date:
1877
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Credit: Die Storungen der Sprache : Versuch einer Pathologie der Sprache. Source: Wellcome Collection.

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    frliliesten Wurzelu der Pautomimen- und Lautspraclie, aber diese noch nicbt selbst. Sprecheu beisst versteben, sowobl sicb selbst als andere. Wir sprecben erst dann, wenn wir unsere Gefiible und An- scbauungen begreifen und begrifflicbe Vorstellungen mit denen anderer Personen auszutauscben vermogen, gleicbgiltig, ob dies durcb Ge- berden oder Laute gescbiebt. Zu diesem Verstandniss scblagen Interjection und Nacbabmung die Briicke. Interjection und Ono- matopoesis liefern dem denkenden Geiste, der Gefiible und Anscbau- ungen in begrifflicbe Vorstellungen umsetzt, die ersten Worte oder ricbtiger Wortkeime. Die Spracbe wird nur ermoglicbt, indem der Menscb in Ge- sellscbaft Anderer lebt, ftiblt, nacbabmt und denkt; sie ist streng genommeu kein Product des Menscben, sondern der V 51 k e r. Da die Menscben in der Urzeit auf gleicb niederer Entwickelungs- stufe standen, konnte bei der ganzen, gleicbartig lebenden, fublenden und wabrnebmenden Gesellscbaft ein gegenseitiges Verstandniss ibrer Gefublsausbriicbe und nacbabmenden Geberden und Laute nicbt feblen; diese mussten in den wesentlicbsten Ziigen ubereinstimmen. Nicbt bloss Niesen und Scbreien, aucb die Geberden und Affectlaute des Bebagens, Abscbeus u. s. w. oder die Nacbabmung des Habnen- scbreis und Hundegebells mussten von Jedermann verstanden wei'den. Nocb beute verstandigen sicb wilde Volker unter einander leicbt durcb Geberden und nacbabmende Laute'). Beriibmte Spracbforscber unserer Zeit, wie Max Miiller und Lazarus Geiger-), baben mit Unrecbt diesen Ursprung der Spracbe aus Interjection und Nacbabmung geleugnet oder docb seine Be- deutung fast auf nicbts berabgesetzt. Freilicb zeigen die Worter, wie sie im Laufe der Jabrtausende bei den Volkern so ungemein verscbieden sicb gestaltet baben, in der Kegel nicbts mebr von der ursprunglicben Verwandtscbaft, die zwiscben der wabrgenommenen Erscbeinung und dem lebbaft davon erregten Gefiible oder der sie zeicbnenden Lautbewegung des ersten Wortbildners bestanden baben muss. Immerbin aber bat nocb ein grosser Tbeil derselben in alien Spracben der Welt einen den Sinn sofort verratbenden 1) Auch Taubstumme verstandigen sich leicbt mit Wilden. Die Pantomimen derWilden und Taubstummen verbalten sich wie Dialekte einer Urspracbe. Vgl. interessante Thatsachen bei E. B. Tylor, Forschungen iiber die Urgescbicbte der Menschheit. Uebers. '^n H. Muller. Leipzig. S. 68. 2) L. Geiger, Ursprung und Entwickelung der menscblichen Spracbe und Vernunft. 2 Bande. Stuttgart 1868. — Derselbe, Der Ursprung der Spracbe. Stuttgart 1869.