Aeltere und neuere Kurmethoden des offenen Krebses : samt einem neuen innerlichen und äusserlichen zu verlässigen Mittel dagegen welches durch Erfahrungen geprüft und mit öffentlichen Zeugnissen bewiesen. / Herausgegeben von Christian Gottfried Whistling.

  • Whistling, Christian Gottfried, 1748-1807.
Date:
1796
    (♦) (■») Einleitung. Unter deii mannigfaltigen Uebeln und Krankheiten, die den menfchlichen Körper be- fallen — und fehr oft als Folgen vorherge- gangener Lebensart ängefehen werden kön- nen — ift wohl keine gröfsere, läftigere, fchlimmere und abfcheulichere als der Krebs — befonders der ofne und wie Turner in fei- ner Wundarzneikunft fagt, die fürchterlichfte unter allen. Obgleich das venerifche Gift öf- ters den Körper deftruiret und fchreckliche Auftritte in felbigem beginnt, fo haben doch dergleichen Kranke mehr Hofnung, einer Herftellung fich zu getröften» weil mehrere A Spe-
    Specifica gegen diefes Uebcl erfunden werden und vorhanden find, als bey dem ofnen Krebs. Nicht genug, dafs folche Kranke mit den graufamften, nagendflen zu Convulfio- nen bringenden Schmerzen öfters gem.artert werden , ’nein! es ift ihnen auch die Ausficht einer Herftellung benommen, wodurch das Gemüth mehr niedergefchlagen und die Krank- heit felbft, dadurch vergröfsert wird — ja wenn das Uebel die höchfte Staffel erreicht und noch nicht einmahl erreicht hat, fo flie- hen und meiden fich die nächften Anver- wandten — Eltern ihre Kinder — Kinder ihre Eltern und Gatten fich unter einander felbft. In diefer bejammernswürdigen Lage, Unruhe und Leiden war’ es wohl kein Wun- der, wenn der Kranke aus Ungedult nach dem Tod feufzte, weil mit jedem Tage das Elend fteigt. Der Geftank dabei wird un- ausftehlich, die innern Zerfreffungen mit den heftigften Schmerzen verbunden, Verblutun- gen und aUe Gefehrden, als: Fieber und Schmelzung der Säfte, find die zu erwarten- den uud quälenden Auftritte lulcher Kranken. Der Tod endlich, als die grbfste Wohlthat, macht diefen fchauderhaften Auftritten ein Ende
    E!ule, und darnach feufzf’n g':'mpiniglich alle krebshafte Perfonen. Mit welch g^prcfsteu Herzen der vernünftige, edeldenkende Arzt an einem folchen Kränkenbette ftehet, aus welchem ihm der Kranke mit ringenden Ildnden, thränenden Augen, unter taufend fchonen Verlprechungen güldner Belohnun- gen, um Hülfe anflehet, kann nur derjenige empfinden, aber nicht belchreiben, der lieh in diefer traurigen Lage befunden, und da- bei von dem erflcn Aphorismo des Mippo- c RATES; Ars longa, vita brevis einen trifti- gen Beweifs fammlet. Der gute Ruf eines praktifchen Arztes, delTen Scharffichtigkeit das Uebel fonfl bei der Quelle aufuichte und von daher mit vernünftiger Auswahl d^-r dazu erforderlichen Mittel, felbiges be- kämpfte , durchirrt hier, das Feld feiner Materia mcdica umfonft, fein fonfe gutes Anfehn verliert von feinem Werth, er fteht in marternder Ungewifsheit, und gleichwohl foll und mufs er helfen; warum ? der Kran- ke verlangts, er bittet, er fleht und hat ein unumfehriinktes Vertrauen auf feinen Arzt; und diefer — wer würde fo hart fein und dem Patienten folchen zweifelhai’ten Tr oft
    rauben? — dicfer gelobt: zu thun, was ihm möglich; und dies will Celsus auch ha- ben, denn er fagt: Es wäre unraenfchlich und graufam, dem Kfanken nichts zu feiner Beruhigung angedeihen zu laffen ^). Ehre und Gefühl reitzen ihn, feinem Verfprechen foviel möglich Gnüge zu leifhen, und fo wird durch Nachforfchung und Scharffinii des Arztes, öfters ein ungebahnter Weg be- treten, der zum Wohl der Menfchheit aus- fchlägt: und weil defperate Krankheiten, defperate Mittel erfordern, fo trift auch hier oft der Fall ein, dafs Mittel erdacht und probirt werden, an die noch niemand gedacht. Wohl dem Kranken, wenn folch eine Erfindung an ihm zu feinem Vortheil ausfchlägt! Unfer Jahrhundert hat Köpfe ge- nug in Thätigkeit gefetzt und nunmehro hat Erfahrung gezeigt, dafs mancher glücklich gewefen. Die Gröfse diefes Uebels, die fchon Hip- ' lOKRATES fahe und defshalb feinen Jüngern diefe Klugheitsregel gab, den verborgenen Krebs • ) Llb, V. Cap. 264 Crudele tarnen fucrit cl inhumanum, aegro nihil folatii aiferrc.
    Krebs in Ruhe zu lafTen , hat bisher immer noch Platz und hat befolgt werden muffen, weil — fo erfinderifch auch der Genius un- fers aufgeklärten Jahrhunderts ift — noch kein eigentlich fpecilique Mittel darwider, öf- fentlich bekannt gemacht worden. Es haben zwar einige angefehene und gelehrte Männer, hie und da, indem fie der Natur und Eigenfchaft des Krebfes nachge- dacht und experimentirt, auch zuweilen einen und den andern von diefem Uebel befreiet; und ihre Erfahrungen der Welt mitgethcilt; Es ift auch nachgeahmt worden, allein! we- nigen hat es gelingen wollen, fo glücklich zu fein, Beftätigung zu ertheilen, um ein fpeciii- que wirkend Arzneymiltel feflfetzen zu kön- nen. Die Abweichungen der Erfcheinungen mögen wohl unter andern, bei Krebskuren darinnen mit beruhen, dafs immer die äufser- liche Kur, die Aufmerkfamkeit des Arztes mehr an fich gezogen, und innerlich, wo nicht verabfaumet, doch wegen Complication, nicht richtig behandelt worden: und wieviel kann hier den Kranken felbft, nicht zur Lafl: gelegt werden, da er den Arzt — und diefer wieder ihn — täufcht.