Über die Localisation der Gehirnkrankheiten / von H. Nothnagel und B. Naunyn.

  • Nothnagel, Hermann, 1841-1905.
Date:
1887
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Credit: Über die Localisation der Gehirnkrankheiten / von H. Nothnagel und B. Naunyn. Source: Wellcome Collection.

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    In voller Ausbildung wird die Seelenblindheit beobachtet, wenn, abgesehen vom Zwickel und Ox, die Occipitalrinde beiderseitig er- krankt ist. Doch existiren auch einige Fälle, in welchen Seelen- blindheit angeblich auf einem Auge bei einseitiger Rindenläsion be- stand. Indessen scheint aus den Krankengeschichten mit Sicherheit hervorzugehen, dass keineswegs das eine (gekreuzte) Auge allein und ausschliesslich betroffen war, vielmehr wurden Störungen auch auf dem zweiten (ungekreuzten) Auge angegeben, nur ist die Intensität der Störung auf dem gekreuzten Auge bedeutender. Es würde sich demnach die Localisirung in der Occipitalrinde folgendermafsen gestalten: 1. Cuneus und Ox- enthalten das optische Wahrnehmungsfeld, ihre einseitige Läsion erzeugt Hemianopsie, die beiderseitige vollständige Blindheit. 2. Die übrige Occipitalrinde enthält das optische Erinnerungs- feld, ihre Läsion erzeugt Seelenblindheit. Ob das optische Erinnerungsfeld nur einen Theil dieser übrigen Occipital- rinde, und dann welchen bedeckt, ist eine heute noch ganz unbeantwortbare Frage. 3. Ist auf der einen Seite Cuneus, Ox und die übrige Occipital- rinde lädirt, auf der anderen Seite die Occipitalrinde mit Ausschluss von Cuneus und 01? so tritt entsprechend jener Seite Hemianopsie ein, entsprechend dieser Seelenblindheit. Ausdrücklich möchte ich übrigens noch betonen, dass nach den vorliegenden Beobachtungen von der Seelenblindheit in dem eben bestimmten Sinn die „Wortblindheit“, d. h. die Fähigkeit Geschrie- benes oder Gedrucktes zu lesen, getrennt werden muss. Es existiren mehrere Krankengeschichten, wonach Wortblindheit ohne Seelenblind- heit bestand. Das nähere Eingehen auf diesen Punkt überlasse ich meinem Herrn Mitreferenten. Das früheste (historisch genommen) und, von den Sprachstörungen abgesehen, auch eingehendste Interesse hat sich den motorischen Rindenstörungen zugewendet. Aus diesem Grunde, und weil die Motilitätsstörungen sofort in die Augen fallen, hat sich in dieser Richtung schon ein recht grosses Beobachtungsmaterial angesammelt.