Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum der Gesellschaft practischer Aerzte zu Riga von der städtischen Irrenheil- und Pflegeanstalt Rothenberg.

Date:
1897
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Credit: Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum der Gesellschaft practischer Aerzte zu Riga von der städtischen Irrenheil- und Pflegeanstalt Rothenberg. Source: Wellcome Collection.

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    jede Gedankenarbeit auf diese Weise eingeleitet wird. Also die Beziehungen der Persönlichkeit sind in's Schwanken gerathen. Weiter ist; meiner Ansicht nach, nun die Annahme eines primär veränderten Denkapparats nicht erfo-derlich. Sandberg sagt, wie ich oben anführte, nicht die Urtheilsbildung, nicht die Association, sondern das Material derselben, die Wahrnehmungen sind verändert, und die Stellungnahme des Kranken gegenüber dieser Veränderung bezeichnen eben die Wahnideen. Ueber die Stellungnahme zu der Veränderung soll später die Rede sein, aber so viel steht eben, meiner Ansicht nach, fest, nicht die Urtheilsbildung, die Association sind einstweilen verändert. Wenn dagegen Fried mann sagt, die Disposition zum Denken mit kurzer Association, zu überstürzten Folgerungen und Erklärungen, zu überwerthigen Ideen sei ebenfalls primär vorhanden, so muss dagegen bemerkt werden, dass im normalen Leben ganz dasselbe geschieht, sobald Afifecte in's Spiel kommen; nicht um ein Haar schneller oder entschiedener urtheilt der Paranoiker als der gesunde Mensch zu Beginn des Leidens, ja sogar zaghaft und schwankend tritt der Paranoiker an die Deutung seiner Eindrücke heran; seine Vermuthungen sind vage, nur in allgemeinen Umrissen vorhanden. Er wagt noch keine bestimmte Erklärung der bemerkten Thatsache seiner Veränderung aufzustellen. Seine Situation, seine öffentliche Stellung sind verändert, das liest er den Menschen an den Augen ab. Seine Ohren, Augen oder sein Gemeingefühl nehmen leichte N'eränderungen wahr, und er sucht eine Brücke zu bauen, eine Erklärung zu construiren, welche ihn befriedigen, ihm Gewissheit verschaffen könnte darüber, ob er sich irrt oder richtig wahrnimmt und was die Veranlassung zu einem eventuellen Wechsel seiner vStellung sein könnte? Diese Ueberlegungen würde jeder gesunde Mensch in solcher Lage anstellen. Sandberg stellt das Misstrauen als denjenigen Affect hin, welcher die paranoische Gedankenrichtung hervorruft. Wenn man aber das Misstrauen einer weiteren Zergliede- rung unterwirft, so findet man, darin wird mir Sandberg wohl Recht geben, es für gewöhnlich nur bei Individuen die von Natur entweder hochgradig eitel und ehrgeizig, anspruchsvoll oder rachsüchtig, ängstlich oder zu wehleidiger Selbstbeobachtung geneigt sind, oder sollte Misstrauen auch bei Gemüthern beobachtet werden, die von Natur sanft, bescheiden, versöhnlich und anspruchslos sind? Ich glaube es nicht. Eitelkeit führt, wie oben ausgeführt, zum Wunsch)